Interview mit Maxime Osse

Pferde-osteopathie

Dein Pferd ist gestolpert oder hat sich beim Wälzen festgelegt? Kleine Vorfälle wie diese können bereits zu Ungleichgewichten und Problemen im Körper deines Pferdes führen. Sie können die Beweglichkeit deines Pferdes einschränken und Schmerzen verursachen. Und am Ende leidet ihr beide darunter. Um solche Probleme zu behandeln – und noch besser: vorzubeugen – gibt es verschiedene Behandlungen, von denen Pferde profitieren können. Heute werfen wir einen Blick auf das Gebiet der Pferdeosteopathie und das mit niemand Geringerem als der niederländischen Dressurreiterin, Humanphysiotherapeutin & Pferdeosteopathin Maxime Osse. In diesem Interview teilt sie exklusive Einblicke in den Beruf der Pferdeosteopathin, warnt vor Anzeichen, auf die du bei deinem Pferd achten solltest und gibt Tipps, wie dein Pferd gesund und ausgeglichen bleibt. Los geht’s! 🙌

Für jemanden, der dich vielleicht nicht kennt, wer ist Maxime Osse?
Ich bin 30 Jahre alt und professionelle Dressurreiterin und Pferdeosteopathin aus den Niederlanden. Ich besitze und leite meinen eigenen Dressurstall, der sich auf das Training, die Turniervorstellung und den Verkauf von Dressurpferden konzentriert, angefangen bei jungen Pferden bis hin zu Grand Prix-Niveau. Zusätzlich zu meiner Rolle als Pferdeosteopathin habe ich einen Hintergrund als Physiotherapeutin für Menschen. Vor sieben Jahren habe ich mich entschieden, mich vollständig der Arbeit mit Pferden zu widmen und ich bereue es keine Sekunde!

Wie kamst du dazu, Physiotherapie und Osteopathie als Beruf zu wählen?
Nun, das ist eine etwas lustige Geschichte, denn ursprünglich wollte ich eigentlich Tierärztin werden. Aber mein Tierarzt meinte zu mir, dass das meinen Dressurambitionen in die Quere kommen könnte. Ich hätte einfach nicht genug Zeit für beides. In der Zwischenzeit entdeckte ich alternative Behandlungen für Pferde wie Physiotherapie und Osteopathie, die mich faszinierten. Obwohl ich davon träumte, mit Pferden zu arbeiten, wollten meine Eltern, dass ich einen sichereren Karriereweg einschlage. Da mich Physiotherapie und Osteopathie faszinierten, entschied ich mich für Humanphysiotherapie als mein erstes Studium, eine Voraussetzung, bevor ich mich der Physiotherapie oder Osteopathie für Pferde widmen konnte.

Was genau ist Pferdeosteopathie?
Es handelt sich dabei um eine Behandlung, die das Gleichgewicht im Pferdekörper wiederherstellt und verschiedene Ursachen für Ungleichgewichte angeht. Die Osteopathie basiert auf Prinzipien aus der Anatomie, Physiologie und Pathologie und betrachtet den Körper als einheitliches Ganzes, in dem Strukturen und Funktionen miteinander verbunden sind und das über Selbstheilungsmechanismen verfügt. Es ist eine manuelle Therapie, die darauf abzielt, die Beweglichkeit und Funktion im Skelett, den Muskeln, Bändern, Gelenken und Organen des Pferdes zu verbessern und letztendlich das Gleichgewicht wiederherzustellen.

Du kommst ja ursprünglich aus der Humanphysiotherapie. Warum hast du dich für Pferdeosteopathie anstelle von -physiotherapie entschieden?
Als ich jünger war, habe ich mir mal den Arm gebrochen. Ich habe diese Verletzung in meinem Körper kompensiert, wodurch es zu einer Fehlbelastung in meiner anderen Schulter kam. Ich entschied mich, diese Verletzung behandeln zu lassen und da wir einen Osteopathen in unserer Nachbarschaft hatten und es praktisch für mich war, habe ich mich für diese Behandlung entschieden. Es war meine erste Erfahrung mit Osteopathie und die Behandlungen haben mir sehr geholfen und ich wurde neugierig. Pferdeosteopathie erforderte ein (veterinär)medizinisches Studium als Voraussetzung, weswegen die Ausbildung zur Physiotherapeutin ein logischer Schritt auf dem Weg zur Pferdeosteopathin war. Während meines Physiotherapie-Studiums erhielt ich ein Jobangebot in diesem Bereich. Und dieser Job zeigte mir tatsächlich gewisse Grenzen der Physiotherapie für einige Pathologien auf. Da ich ja sehr positive Erfahrungen mit Osteopathie als Patientin gemacht hatte, entschied ich mich dann also für Pferdeosteopathie. Meine Entscheidung wurde teilweise davon beeinflusst, dass ich fasziniert bin von der umfassenden Untersuchung und Behandlung ALLER Strukturen, einschließlich der Organe, die in der Osteopathie üblich ist.

Wie sehen Tierärzt:innen deine Arbeit?
Interessanterweise sind die Tierärzte, denen ich begegnet bin, offen für und sehr interessiert an Pferdeosteopathie.  Es war erstaunlich zu sehen, dass viele in meinem Studiengang tatsächlich Tierärzte waren, die dann diesen Weg eingeschlagen hatten.

Wie passt du deine Methoden an, wenn du mit verschiedenen Pferden arbeitest, wie zum Beispiel Dressurpferden, Springpferden oder in anderen Disziplinen?
Da jedes Pferd unterschiedlich und einzigartig ist, ist es wichtig, die Methoden für jedes Pferd anzupassen. Die verschiedenen Reitsportdisziplinen spielen für meine Behandlung keine große Rolle. Das Hauptziel besteht darin, das Gleichgewicht im Pferdekörper wiederherzustellen. Mit einer offenen Denkweise konzentriere ich mich darauf, das zu behandeln, was Aufmerksamkeit benötigt, und lasse es auf natürliche Weise heilen.

„Vorbeugen ist besser als Heilen.“

Auf welche Anzeichen sollte ich achten, um festzustellen, ob mein Pferd Probleme hat?
Wenn du Veränderungen im Verhalten deines Pferdes bemerkst, ist es ratsam, es untersuchen zu lassen. Beispiele könnten sein:

  • Wenn dein Pferd Anzeichen von Unbehagen zeigt oder du beim Reiten Probleme hast.
  • Symptome wie Steifheit, Buckeln, Steigen oder Lahmheit.
  • Wenn dein Pferd schief läuft, verspannt ist oder häufig stolpert.
  • Eine Behandlung kann auch nach einem Trauma erforderlich sein, also wenn dein Pferd z. B. ausgerutscht oder gestürzt ist, sich hart angestoßen hat, sich mit dem Halfter aufgehängt oder sich beim Wälzen festgelegt hat.

Aber, wie man so schön sagt: Vorbeugen ist besser als Heilen. Ungleichgewichte zu erkennen, bevor Probleme entstehen, ist der Optimalfall, auch wenn das natürlich nicht immer geht. Ich empfehle jährliche Vorsorgeuntersuchungen und sofortige tierärztliche Behandlung bei Zweifeln oder Problemen. Das Ziel ist die frühzeitige Erkennung und proaktive Behandlung von Problemen für das Wohlbefinden deines Pferdes.

Wie viel arbeitest du heute als Physiotherapeutin/Osteopathin?
Obwohl mein Hauptfokus heute auf meinem Dressurstall liegt, bin ich weiterhin leidenschaftlich in der Pferdeosteopathie tätig. Ich habe einige langjährige Kund:innen, mit denen ich regelmäßig arbeite. Und als Pferdeosteopathin kann ich natürlich auch meine eigenen Pferde behandeln. Ich kann das Training mit Behandlungen individuell anpassen und so das optimale Wohlbefinden meiner Pferde gewährleisten.

Wie genau helfen dir deine Fähigkeiten und Kenntnisse aus deiner Ausbildung bei deinen eigenen Pferden? Hast du gewisse Routinen, damit sie gesund und munter bleiben?
Es ist auf jeden Fall ein großer Vorteil, dass sich die Berufe so gut ergänzen. Ich schaue mir die Pferde jedes Mal genau an, wenn ich sie putze oder fürs Training fertigmache. Auf diese Weise habe ich ständig einen Überblick über ihren körperlichen Zustand. Und diese Erkenntnisse beeinflussen dann direkt, wie ich ihr Training angehe, und umgekehrt natürlich auch. Natürlich ist es nicht immer möglich, alles zu verhindern oder zu behandeln – und falls erforderlich, arbeite ich dann eng mit dem Tierarzt zusammen.

Wie gehst du mit der Kritik um, dass Osteopathie als alternative Heilmethode gilt und nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist?
Ganz ehrlich? Ich höre solche Kritik nur ganz selten. Meine Erfahrung ist, dass sowohl Tierärzt:innen als auch die Leute im Allgemeinen positiv zur Pferdeosteopathie stehen.

Was gefällt dir an der Arbeit mit Pferden am meisten?
Mein ganzes Leben habe ich schon mit Pferden verbracht. Zeit mit Tieren zu verbringen bringt mir extrem viel Freude. Mit Pferden arbeiten zu können ist ein Traum, der Wirklichkeit geworden ist. Ich schätze ihre Wertschätzung und die einzigartige Art und Weise, wie sie ihre Liebe zum Ausdruck bringen. 

Kannst du unseren Leser:innen einige Tipps geben, wie sie ihre Pferde gesund halten und häufig auftretende Problemen vorbeugen können?
Ich würde damit beginnen, einen durchdachten Plan für dein Pferd zu erstellen. Dieser sollte sich auf konsistente Routinen konzentrieren, wie ausreichend Auslauf, gute Ernährung, ausgewogenes Training und regelmäßige Kontrollen. Für osteopathische Behandlungen empfehle ich eine jährliche Vorsorgeuntersuchung. Die Häufigkeit hängt jedoch letztendlich von den individuellen Bedürfnissen deines Pferdes ab.

Vielen Dank, Maxime, dass wir so viel von dir lernen durften! ❤️

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